140 Jahre Kapital
Jürgen Vollmer
Auf unserem Spaziergang am 5. Juli spürten wir den Wirkungen und Nachwirkungen von Karl Marx Schaffen und Schriften in Leipzig nach. Der Anlass dazu war der 168. Geburtstag von Clara Zetkin und die Drucklegung des zweiten Bandes von Karl Marx Werk „Das Kapital. Kritik der politischen Oekonomie“ vor 140 Jahren in der Leipziger Druckerei Reusche.

Treffen beim Denkmal für die Drucklegung des zweiten Bandes von Karl Marx Werk „Das Kapital. Kritik der politischen Oekonomie“. Fotos: Team WissensSpuren.
Dabei war es ein besonderes Glanzlicht, dass Jun.-Prof. Dr. Niklas Venema uns auf der Tour begleitete und mit seinem Sachverstand unterstützte.
Historischer Kontext
Am Beginn der Tour stand eine kurze Einführung in das Leben und Werk Karl Marx, mit einem Fokus auf der Genese seines Hauptwerkes „Das Kapital. Kritik der politischen Oekonomie“. Dabei wurde auch die Beziehungen zu Wilhelm Liebknecht, August Bebel und Ferdinand Lassalle angesprochen, die in Leipzig maßgebliche Schritte zur Gründung des Sozialismus unternahmen.
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Postkarte zum 1. Mai 1914 zur 25. Maifeier unter dem Motto „Freiheit! Gleichheit! Hoch der 8 Stunden Tag!“ mit den Porträts von Ferdinand Lassalle, Karl Marx, Wilhelm Liebknecht und August Bebel von links oben nach rechts unten. Quelle: AdsD.
Karl Marx und der Journalismus
Am Verlagshaus der Leipziger Volkszeitung referierte Niklas Venema über die herausragende Rolle der progressiven und oppositionellen Zeitungen für die entstehenden Arbeiterbewegung. Die maßgeblichen Führer der Arbeiterbewegung betätigten sich alle auch als Journalisten, und als Volkszeitung war die LVZ eine maßgeblicher Akteur in dieser Medienlandschaft.
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Niklas Venema zur journalistischen Tätigkeit der Gründungspersonen des Sozialismus, und zur Karikatur von Marx als gefesselter Prometheus (1843).Foto: Team WissensSpuren. Karikatur von Lorenz Clasen, Public domain, via Wikimedia Commons.
Insbesondere wurde Marx nach seinem Studium Chefredakteur der damals neu gegründeten radikaldemokratischen Rheinischen Zeitung, die schon kurz darauf von der preußischen Zensur verboten wurde. Eine bekannte Karikatur aus der Zeit zeigt Marx als an seine Druckpresse gefesselten Prometheus, dem der preußischen Adler an der Leber frisst.
August Bebel und das Volkshaus
Eine maßgebliche Errungenschaft der Arbeiterbewegung war das Bereitstellen von Bildungsangeboten mit einem niederschwelligen Zugang. Ein sehr frühes Beispiel ist der Verein der Buchhandlungsgehilfen, der 1833 in Leipzig gegründet wurde. 1861 folgte ein Gewerblicher Bildungsverein, der die Sammlung des Naturkundemuseums mit initiierte und an mehreren Tagen in der Woche Kurse für Arbeiter anbot. Ab 1865 übernahm der gerade 25-jährige August Bebel (1840–1913), der als arbeitssuchender Drechslergeselle nach Leipzig gekommen war, den Vereinsvorsitz. Als redegewandtes Organisationstalent wurde er bald zu einem der Führer der Arbeiterbewegung in Deutschland.

Foto: Team WissensSpuren.
Zu den herausragenden Dozentinnen des Vereins zählte Käte Duncker (1871–1953). Sie war Vorsitzende des „Vereins für Frauen und Mädchen der Arbeiterklasse“, ein führendes Mitglied der SPD und mit Clara Zetkin initiierte sie auf der Zweiten Internationalen Sozialistischen Frauenkonferenz das Ausrufen des Interntionalen Frauentages.
Erich Schilling und das Heine Denkmal
Als Heranwachsender in Leipzig profitierte Erich Schilling (1882–1962) am Ende des 19. Jh. von den Bildungsangeboten im Volkshaus. Nach einer Ausbildung zum Bauschlosser und Gesellenwanderung durch die deutschen Lande wurde er in 1913 bis 1919 Geschäftsführer des Deutschen Metallarbeiter-Verbandes in Leipzig und übernahm anschließend den Vorsitz des Leipziger Gewerkschaftskartells. Nach der Rückkehr aus dem KZ Buchenwald beteiligte er sich an der Neugründung der SPD in Leipzig und nahm den Wiederaufbau des kriegszerstörten Volkshauses in Angriff.

Besichtigung des Heine-Denkmals. Fotos: Team WissensSpuren.
Aus privaten Mitteln konnte er dabei einen lange gehegten Plan umsetzen. Zum 150. Geburtstag stifte er in Leipzig ein Denkmal für den von ihm hoch verehrten Heinrich Heine. Dazu verwendete er eine Marmorstele, die aus dem Sockel des demontierten Siegesdenkmals auf dem Markt stammte.
Wilhelm Liebknecht und die Klassengesellschaft
Direkt um die Ecke vom Volkshaus befand sich das ehemalige Wohnhaus der Familie Wilhelm Liebknecht (1826-1900). Als Mentor, enger Freund und Mitstreiter von August Bebel hatte Liebknecht eine zentrale Rolle beim Aufbau der Sozialdemokratie in Deutschland, und beim Fundieren ihres Aufstiegs durch eine umfassende Bildungsarbeit, die sich für gleiche Bildungschancen für Kinder aller Schichten einsetzt. Die eminente soziale Bedeutung dieser Bildungsarbeit legte er dar in seinen außerordentlich einflussreichen Festreden zum Stiftungsfest des Dresdener Bildungsvereins und zum Stiftungsfest des Leipziger Arbeiterbildungsvereins im Februar 1872, die er unter das Motto „Wissen ist Macht – Macht ist Wissen“ stellte.
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Postkarte zum 1. Mai 1897 mit der Aufschrift „Wissen ist Macht“. Quelle: AdsD.
Auf dem Weg in Richtung Innenstadt diskutierten wir die unterschiedlichen Lebensumstände von Kindern, die in unterschiedlichen Klassen aufwachsen — und wie sich aufgrund der rasanten Industrialisierung im 19. Jh. Möglichkeiten auftaten finanziell aufzusteigen.
Clara Zetkin und die Frauenfrage
Am Clara-Zetkin-Denkmal im Johannapark gab uns Philippe Issler einen sehr persönlichen Einblick in die Lebensumstände von Clara Zetkin (1857-1933), die in Leipzig am Lehrerinnenseminar von Auguste Schmidt studierte und in Leipzig Teil der sozialistischen Bewegung wurde. Zeit ihres Lebens setzte sie sich für die vollständige berufliche und gesellschaftliche Gleichberechtigung der Frau ein. Mit Käte Duncker erstritt sie den Internationalen Frauentag, sie war Pazifistin im ersten Weltkrieg und kämpfte gegen den Faschismus in der Weimarer Republik. Als sie 1933 in Moskau starb, wurde sie an der Kremlmauer beigesetzt.

Besuch beim Clara Zetkin Denkmal. Fotos: Team WissensSpuren.
Neben der Zeit in Leipzig lenkte Philippe ein besonderes Augenmerk auf das Leben von und Gedenken an Clara Zetkin in Stuttgart, wohin sie 1891 nach Auslaufen des Sozialistengesetzes aus dem Exil zurückkehrte. Ein interessanter Aspekt ihres privaten Lebens in der Zeit waren die Absprachen, die es ihr ermöglichten schon vor über 120 Jahren mit ihrem Partner, dem Maler Georg Friedrich Zundel, eine Ehe mit gleichberechtigter Verteilung der Pflichten und Aufgaben zu leben.
Abschluss
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Im Institut für Kommunikations- und Medienwissenschaft. Fotos: Team WissensSpuren.
Zum Abschluss der Tour besuchten wir das Institut für Kommunikations- und Medienwissenschaft. Dort gab uns Niklas Venema einen Einblick in die Geschichte des Institutes und in seine aktuelle Arbeit zur Rolle des Journalismus bei der Entstehung der Arbeiterbewegung. In der Abschlussdiskussion tauschten wir uns aus über die zur Zeit wieder sehr aktuellen Fragen zur Unabhängigkeit der Presse und zu ihrer Finanzierung.
Wir danken Niklas Venema sehr herzlich für seinen Einsatz und die vielen tollen Erklärungen — und den Teilnehmenden für das rege Interesse und den intensiven Austausch.